Experteninterview zum Thema Rektumprolaps

Der Chirurg Dr. Thomas Filipitsch über Gründe, Symptome, operative und konservative Therapieoptionen sowie Vorbeugung gegen Rektumprolaps.

RH: Was ist ein Rektumprolaps?

Dr. Filipitsch: Beim Rektumprolaps kommt es zu einer teilweisenoder kompletten Einstülpung der Mastdarmschleimhaut. Am häufigsten ist die Vorderwand betroffen, die sich Richtung Scheide hin ausdehnt und beim Pressen nach innen kippt. Bei fortgeschrittenen Fällen betrifft es auch die Hinterwand und schlussendlich mobilisiert sich die ganze Schleimhaut und diese rutscht in Richtung Analkanal oder sogar heraus.

RH: Was sind die Symptome bei einem Rektumprolaps?

Dr. Filipitsch: Patienten bemerken anfangs ein Blockadegefühl bei der Stuhl-Entleerung, es wird versucht vermehrt mit zupressen was die Situation verschlimmert. Der Stuhl wird dünner im Durchmesser – sogenannter Bleistiftstuhl – das Gefühl der unvollständigen Entleerung nimmt zu. Beim echtem Prolaps ertastet der Patient/die Patientin die Schleimhaut beim Reinigen und glaubt zumeist an Hämorrhoiden. Viele Betroffene drücken dann die Schleimhaut wieder zurück. Durch oberflächige Einrisse in der Schleimhaut kann es zu leichten Blutungen kommen.

RH: Was sind die Gründe/Risikofaktoren einen Rektumprolaps zu bekommen?

Dr. Filipitsch: Risikofaktoren sind jahrelange Verstopfung mit gewohnheitsbedingtem Pressen, sowie vaginale Geburten oder die Entfernung der Gebärmutter, da hierbei eine wichtige Stützstruktur im Becken zerstört wird. Aber auch eine angeborene Bindegewebsschwäche und Übergewicht begünstigen den Vorfall.

RH: Kann man vorbeugen? Und wenn ja wie?

Dr. Filipitsch: Treffen diese Risikofaktoren zu, sollte schon frühzeitig mit Beckenbodengymnastik begonnen werden, dies am besten unterstützt und kontrolliert von einer speziell geschulten Physiotherapeutin. Dies ist wichtig, da ein Großteil der Betroffenen das kontrollierte Anspannen des Schließmuskels nicht mehr beherrschen. Wesentlich ist auch die richtige Stuhlregulation, aber ohne Abführmittel! Sogenannte Wassertransporteure in Granulatform können unbedenklich auch dauerhaft eingenommen werden. Entleerungshilfen wie Co2 Zäpfchen oder Klistiere können ebenso gut zu einer einfachen Entleerung helfen, wie Wasser.

RH: Was wird bei Verdacht auf Rektumprolaps untersucht und wie geht das vor sich?

Dr. Filipitsch: Die Abklärung ist einfach: Durch eine schmerzlose Inspektion mit einem dünnen Rohr, der Rektoskopie, kann die Bewegung der Mastdarmschleimhaut beobachtet werden. Zumeist ist noch ein Spezialröntgen ergänzend erforderlich.

RH: Wann muss man sich unbedingt operieren lassen?

Dr. Filipitsch: Reichen die beschriebenen Maßnahmen zur Erleichterung der Entleerung nicht aus, entscheidet der Leidensdruck zum Einen und das objektive Ausmaß des Vorfalls andererseits über die Empfehlung zur Operation.

RH: Wie sieht die operative Therapie aus?

Dr. Filipitsch: Wird eine Operation überlegt, unterscheidet man Verfahren von unten, heißt durch den Analkanal hindurch und Bauchoperationen. Da das Operationsrisiko einer Bauchoperation naturgemäß höher ist, kommen zumeist als 1. Schritt peranale Verfahren zum Einsatz.

In Abhängigkeit vom Ausmaß gibt es unterschiedliche Techniken die Schleimhaut oder auch darunter liegende Schichten des Darmes zu raffen und damit wieder zu festigen. Durch eine Bauchspiegelung kann der Mastdarm gestreckt werden, oder auch ein Darmstück mit entfernt werden.

RH: Wie sieht die Prognose bei Rektumprolaps aus?

Dr. Filipitsch: Der Darm ist ein sehr bewegliches Organ, dementsprechend kann die Entleerung sich nach Jahren auch wieder verschlechtern. Besonders wenn die Stuhl-Gewohnheiten weiterhin nicht geändert werden. Eine Beckenbodenreedukation durch eine spezialisierte Therapeutin bei dem eine Darmentleerung mit effektiver Bauchpresse und ökonomischem Einsatz der Beckenbodenmuskulatur wieder erlernt wird, kann hier hilfreich sein.

RH: Wie kann man einen Rektumprolaps verhindern bzw. ein Rezitiv hint an halten?

Dr. Filipitsch: Begleitend sind jährlich Kontrollen ein wesentlicher Punkt um eine Verschlechterung frühzeitig zu bemerken, ebenso wie das absolut wichtige professionelle Beckenbodentraining zur Unterstützung der Muskulatur.

OA Dr. Thomas Filipitsch
1991 Promotion
1991-1994 Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin am KH Hollabrunn mit Jus practicandi
1995 Notarztdiplom
1994-1997 Ausbildung zu FA für Chirurgie am KH Hollabrunn bei Prof. Dr. Wunderlich
1995 Unfallchirurgische Gegenfach-Ausbildung am KH Mistelbach
1995 Handchirurgisches Diplom
1996 Plastische und Wiederherstellende Gegenfachausbildung AKH Wien
1997-2000 Universitätsassistent an der UNI-Klinik Wien, Abt. für Allgemeinchirurgie am AKH Wien
1998 Kinderchirurgische Gegenfach-Ausbildung
1999 Anästhesien und Intensivmedizinsche Gegenfach-Ausbildung
2000 Facharztdiplom
2000-2003 Oberarzt an der chirurgischen Abteilung am KH der Barmherzigen Brüder, Wien 2
seit 2003 Oberarzt am Evangelischen KH, Wien 18
Vortragstätigkeiten bei nationalen und internationalen Kongressen und SymposienMedizinische Publikationen in nationalen und internationalen Journals
Mitglied der österreichischen Facharztprüfungskommission