Experteninterview Teil 3: Sport nach Schwangerschaft: Laufen

Ab wann Sport und laufen wieder möglich ist und warum es keine Studien dazu gibt.

Viele Frauen wissen nicht, was sie nach Schwangerschaft tun sollen/dürfen um die von der Schwangerschaft veränderten Strukturen angemessen rückzubilden. Was sich durch Schwangerschaft  und Geburt verändert und wie lange das Gewebe zur Heilung braucht, was der Gynäkologe eigentlich 6 Wochen nach der Geburt untersucht und wie Frauen sicher wieder in den Sport einsteigen können, darüber habe ich mich mit dem Gynäkologen Prim. Lothar Fuith unterhalten.

RH: Was wäre denn Ihre Empfehlung, ab wann darf man denn Sport wieder aufnehmen?

Prim. Fuith: Also ich glaube, es ist es immer gut, wenn man nicht erst in der Schwangerschaft die Fitness und den Sport entdeckt. Wir tun uns leichter bei den Frauen, die schon vorher aktiv waren. Das sehe ich oft, dass die Frauen mit dem positiven Test beginnen die Smoothies zu trinken, gesund zu leben, ist ja eh gut, aber also körperliche Betätigung schon vor der Schwangerschaft wäre das Beste! Natürlich empfehlen wir schon körperliche Betätigung schon in der Schwangerschaft, vor allem Ausdauertraining. Da gibt es ganz klare Empfehlungen dafür welche Frauen dürfen und welche nicht. Also im Prinzip dürfen alle, jedoch gilt für Frauen mit einer Herzerkrankung, mit einem Blasensprung, einer Plazenta Praevia ein absolutes Sportverbot. Das ist aber natürlich eh logisch! Relative Kontraindikation stellt eine schwere Anämie dar z.B. Was mir noch wichtig ist das Schwimmen in der Schwangerschaft. Hallen- und Thermalbäder bergen das Risiko einer Infektion. Da gibt es Untersuchungen dazu. Da hab ich einmal ein Gutachten geschrieben dazu. Also ich als Fachgutachter kann das nicht empfehlen, so sehr ich schwimmen empfehle, aber das Beste ist schwimmen im Meer. Weil in der Schwangerschaft ist das Infektionsrisiko ohnehin erhöht, in der Therme ist außerdem die Wassertemperatur nicht günstig und drittens wenn sich eine Frau eine Infektion holt in der Schwangerschaft gibt es ja die Kaskade Infektion, Prostaglandin, vorzeitige Wehen etc. Das würde ich deshalb nicht empfehlen. Aber jetzt bin ich vom Thema abgekommen.

RH: Wie bald nach der Geburt Sport wieder gemacht werden darf, war die Frage.

Prim. Fuith: Also im Prinzip kann man sehr bald nach der Geburt, angepasst an den Geburtsverlauf, sehr bald kann man körperliches Training wieder aufnehmen. Nach einem Kaiserschnitt wird man eh keine Lust haben allzu schnell zu laufen. Früher hat es auch im Bezug auf das Beckenbodentraining geheißen, dass man die ersten 6 Wochen nach der Geburt gar nichts machen darf. Da sind wir drüber hinweg. Das Beckenbodentraining kann man sofort machen. Die Frage ist, kann ich gleich das ganze Programm machen, oder muss an den Geburtsverlauf und die Situation angepasst werden. Das kommt ja aus der Traumatologie her, dass man weiß, dass zu lange Liegezeiten auch nicht günstig sind. Das kann man in Analogie auf den Beckenboden anwenden, dass die Frauen das auch gleich machen. Und was genau die Frauen dann tun können, muss man von Fall zu Fall anschauen und entscheiden.

RH: Was sind denn jetzt Risiken, wenn man zu früh wieder turnt, läuft, springt etc.?

Prim. Fuith: Ich sag so, es gibt einen kritischen Ansatzpunkt, wenn man extreme körperliche Belastungen während der Stillphase macht. Da gibt es den Hinweis, dass das das dem Stillen nicht förderlich ist. Wie der Mechanismus ist, ist schwer zu sagen. Wahrscheinlich spielt da das Schwitzen mit dem Flüssigkeitsverlust auch eine Rolle. Also Marathon laufen während der Stillphase würde ich deshalb nicht empfehlen…

RH: Und was Senkung und Beckenboden betrifft?

Prim. Fuith: Grundsätzlich ist gegen das Laufen nichts einzuwenden. Ich kenne keine Literatur, die das Laufen postpartal als negativ für den Beckenboden darstellen würde. Vieles sagt einem der Hausverstand, aber wie gesagt, Studie habe ich keine dazu. Eine solche brächte man auch durch keine Ethikkommission. Man kann ja nicht die einen liegen lassen, die zweiten Rad fahren und die dritten laufen und dann schauen, wie sich das auf den Beckenboden auswirkt. Darum gibt es da nichts, worauf wir uns stützen können. Raten kann ich auf jeden Fall dazu, im Fall des Zweifels sich an eine spezialisierte Physiotherapeutin zu wenden, die den Beckenboden untersucht und der Frau dann gezielt in Abhängigkeit von Geburtsverlauf und Palpationsbefund beim beckenbodenschonenden Wiedereinstieg in den Sport hilft.

Prim. Fuith: Was sehr viele machen, ist das Babyschwimmen. Ich will keiner die Freude nehmen, aber die Pilzinfektionen treten dann halt auf.

RH: Inwieweit haben Dammriss, Dammschnitt, Sectio einen Einfluss auf den Wiedereinstieg in den Sport?

Prim. Fuith: Eigentlich kann nichts passieren. Nur schmerzmäßig. Mountainbiken würde ich bei einem Dammriss aber nicht gleich…

RH: Wie sieht es aus mit Bauchmuskeltraining nach Kaiserschnitt?

Prim. Fuith: Das werde ich oft gefragt. Man kann dabei grundsätzlich nichts falsch machen, solang man alles im schmerzfreien Bereich macht. Dann kann normalerweise nichts reißen. Ich würde halt auch hier nicht mit Gewalt trainieren und nicht wahnsinnig viel. Aber wenn ein paar Situps schmerzfrei gemacht werden, würde ich auch das nicht so dramatisch sehen. Weil nach 6 Wochen kann zwar die Bauchmuskulatur noch ein bisschen geschwollen sein, aber passieren sollte eigentlich nichts. Sonst kommen wir wieder zu der Philosophie von früher, wo man gesagt hat, ja nicht zu viel bewegen nach einer Operation, sonst reißt alles auf. Hat man früher gesagt… Ist aber ein Blödsinn!

RH: Vielen Dank für das Gespräch!

Prim. Fuith: Vielen Dank!

Univ. Prof. Dr. Lothar Clemens Fuith
Primarius am Krankenhaus d. Barmherzigen Brüder
Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe
Vorstand der Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Eisenstadt
 Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (ÖGGG).
 Präsident der Medizinischen Kontinenzgesellschaft (MKÖ)
Ausbildung:
Medizinstudium Univ. Innsbruck; Promotion 1979
Postgraduelle Tätigkeit:
1979 bis 1982 Universitätsassistent am Institut für Medizinische Chemie und Biochemie an der Universität Innsbruck. (Prof. H. Grunicke und Prof. H. Wachter)
1981 Forschungsaufenthalt am Weizmann Institute of Science in Israel. (Prof. Gad Yagil)
Ab 1982 Assistenzarzt und Oberarzt an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde Innsbruck. (Prof. O. Dapunt)
Akademischer Werdegang:
1991 Habilitation zum Universitätsdozenten mit dem Thema:
„Neue Aspekte in der Therapie des Ovarialkarzinoms“.
Ernennung zum a.o. Universitätsprofessor 1998.
Kontakt:
Krankenhaus der Barmherzigen Brüder:
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Lothar.Fuith@bbeisen.at
Ordination:
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