Experteninterview Teil 3: Organsenkung: Totalprolaps, Prognose und Operation

Teil 3: Der Gynäkologe Prim. Lothar Fuith über Operationsindikation, was tun bei Totalprolaps, Prognose, Operationsmethoden

RH: Wann muss denn auf alle Fälle operiert werden?

Prim. Fuith: Wenn die Frauen rezidivierende Harnwegsinfekte haben, wenn sie einen Totalprolaps (Muttermund kommt bis unter den Hymenalsaum) haben, dann ist aus meiner Sicht die Operation unumgänglich. Denn so was hat ja gewaltige Auswirkungen auf die Harnentleerung. Da gibt es jetzt neue Methoden, bei denen man den Uterus nicht entfernen muss, dieser ist ja nicht erkrankt. Man befestigt den Uterus beidseitig an einem Band des Beckens. Das ist eine Entwicklung der letzten Jahre und hat laut Studien gleichwertige Erfolge wie die Komplettentfernung der Gebärmutter. Und die Komplikationen sind relativ gering.

RH: Wenn eine Frau nun akut eine Totalprolaps erleidet, wie soll sie sich dann verhalten? Muss sie mit der Rettung ins Spital?

Prim. Fuith: Nein. Das ist ja eher kein lebensbedrohlicher Notfall, wenn auch sehr unangenehm. Die Frau kann, wenn sie sich traut versuchen den Prolaps oder die prolabierte Scheidenwand selbst wieder nach oben zu schieben. Es kann dabei nichts geschehen, außer dass es nicht gelingt. Man braucht da ein bisschen Übung dazu. So oder so, anschließend soll die Frau sich an einen urogynäkologisch versierten Facharzt oder eine urogynäkologische Ambulanz wenden. Meist kommt der Totalprolaps allerdings nicht ohne Vorankündigung. Oft haben die Frauen schon davor starke Probleme damit, ihre Blase zu entleeren und pressen sehr stark beim Versuch Harn zu lassen. Das verschlimmert die Sache jedoch. Ich rate daher den betroffenen Frauen immer, mit zwei Fingern die Vorderwand der Scheide nach oben zu drücken, damit hebt man die Blase und der Harn kann entweichen, ohne dass man stark pressen muss.

RH: Wie schaut das jetzt aus mit der Prognose, falls operiert werden muss? Haben die Operationen eine Halbwertszeit?

Prim. Fuith: Das Grundproblem, die Gewebesituation haben wir mit der Operation nicht verändert. Daher kann niemand garantieren, ob nicht irgendwann wieder Probleme auftreten.

RH: Wäre daher ein Beckenbodentraining vor und nach der Operation anzuraten?

Prim. Fuith: Absolut richtig. Gar keine Frage! Weil wir können es zwar reparieren, aber wir operieren sie ja nicht, damit sie dann nachher daheim im Bett liegen kann, sondern sie soll wieder aktiv sein können. Ein paar Dinge muss die Frau jedoch nach der Operation beachten. Sie sollte nicht schwer heben, oder Sport betreiben bei dem der Druck nach unten sehr hoch wird. Also steil bergauf mit dem Rad fahren, laufen, viel springen etc.

RH: Könnten Sie die verschiedenen Operationen kurz vorstellen?

Prim. Fuith: Zum einen gibt es die Korrektur der Blasensenkung durch eine Blasenbodennaht. Dabei wird die Senkung, die Vorwölbung, dieser „kleine Tennisball“ mit Blasenbodennähten hinauf gehoben. Halten werden dann nicht nur die Nähte, sondern das Narbengewebe, das sich da entwickelt. Aber das Gewebe ist gleich, die Frau ist jetzt nicht ausgewechselt. Der Halteapparat ist noch immer der gleiche.

Bei der Korrektur der Gebärmuttersenkung fixiert man diese entweder hinten an Bändern des Beckens oder am Kreuzbein. Man hat einige Jahre gemeint, wenn man die Gebärmutter mit Hilfe von Netzen unterfüttert, dass das dann besser hält. Das stimmt auch, aber die Komplikationen waren gewaltig. Da sind wir jetzt wieder bei dem Punkt, die Frau hat nichts davon, wenn sie anatomisch gut korrigiert ist, aber dann Schmerzen hat. Und es gab bei 60% der Frauen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Einheilungsschwierigkeiten der Netze, die Gefahr dass das Netz an Blase oder Rektum scheuert hat ebenfalls bestanden. Jetzt sind wir so weit, dass die Hauptfirma, die die Netzte vertrieben hat, ihr Produkt vom Markt genommen hat. Es gibt Gerichtsklagen ohne Ende. Heute gibt nur noch wenige Netzanbieter. Neueste Leitlinien empfehlen tunlichst mit Eigenmaterial die Senkung zu korrigieren und nur im Wiederholungsfall Netze zu verwenden.

Nicht betroffen von dieser Problematik sind die Schlingenoperationen, die ja im Prinzip auch Netzmaterial sind. Aber da ist, so weit man das weiß, wahrscheinlich der Unterschied, dass das sehr schmale Bänder sind und man nur sehr geringe Mengen an Netzmaterial braucht. Der Druck mit Hilfe von Netzen zu operieren war seinerzeit sehr groß und heute bin ich froh, dass meine Abteilung diesen Fehler nicht mitgetragen hat.

RH: Danke für das Interview!

Univ. Prof. Dr. Lothar Clemens Fuith

Primarius am Krankenhaus d. Barmherzigen Brüder

Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe
Vorstand der Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Eisenstadt
Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (ÖGGG).
 Präsident der Medizinischen Kontinenzgesellschaft (MKÖ)

Ausbildung:

Medizinstudium Univ. Innsbruck; Promotion 1979

Postgraduelle Tätigkeit:

1979 bis 1982 Universitätsassistent am Institut für Medizinische Chemie und Biochemie an der Universität Innsbruck. (Prof. H. Grunicke und Prof. H. Wachter)

1981 Forschungsaufenthalt am Weizmann Institute of Science in Israel. (Prof. Gad Yagil)

Ab 1982 Assistenzarzt und Oberarzt an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde Innsbruck. (Prof. O. Dapunt)

Akademischer Werdegang:
1991 Habilitation zum Universitätsdozenten mit dem Thema:
„Neue Aspekte in der Therapie des Ovarialkarzinoms“.
Ernennung zum a.o. Universitätsprofessor 1998.
Kontakt:
Krankenhaus der Barmherzigen Brüder:
Johannes von Gott-Platz 1
7000 Eisenstadt
02682/601-3500
Lothar.Fuith@bbeisen.at
Ordination:
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