Stuhltraining bei Obstipation

Lesen Sie hier wie ein begleitetes Stuhltraining Ihnen gegen Obstipation (Verstopfung) helfen kann. Die Kontinenz- und Stomaberaterin Gisele Schön erklärt wie ein solches abläuft und wer einen dabei unterstützt.

RH: Ein Thema das mir in meiner physiotherapeutischen Praxis  oft begegnet, ist das Thema Obstipation. Da ist Deine Berufsgruppe, also Kontinenz- und Stomaberatung spezialisiert drauf?

GS: Ja! Ich kann mich an eine Patientin erinnern, die hat über 60 Jahre Abführmittel genommen und innerhalb von drei Wochen hatte sie durch ein begleitetes Stuhltraining eine normale Stuhlentleerung. Ohne Abführmittel!

RH: Was passiert bei so einem begleiteten Stuhltraining?

 

Darmfunktion – Volkskrankheit Obstipation

GS: Also Obstipation entsteht ja meisten oder fast immer, wenn Menschen ballaststoffarm essen und wenig trinken. Viele trainieren sich die Verstopfung unbewusst in der Jugend oder im Berufsleben an. Sehr oft passt da ein Stuhldrang der verspürt wird nicht in die Situation. In der Schule während des Unterrichts zum Beispiel, oder im Berufsleben stehen viele unter Druck. Da passt so ein Stuhldrang halt gerade nicht! Er wird einfach unbewusst verdrängt. Doch desto länger der Stuhl im Darm verweilt, desto härter wird er und desto beschwerlicher ist dann das Stuhl absetzen.

Um das leichter zu verstehen muss man sich die Funktion des Dickdarms anschauen. Der durchwandernde Stuhlbrei wird dehydriert. Wenn der Stuhl aus dem Dünndarm in den Dickdarm fließt, ist er ein flüssiger Brei und beim Durchwandern durch den Dickdarm entzieht der Organismus Wasser aus dem durchwanderten Stuhlbrei. Die Ballaststoffe verhindern das die Flüssigkeit herausgezogen werden kann. Ohne Ballaststoffe trocknet der Stuhlbrei bei der Wanderung durch den Dickdarm ein das Volumen wird kleiner, und wenn der Stuhl im Enddarm ankommt sind das nur noch so harte Knödl, die Probleme beim Ausscheiden machen.

Normalerweise sollte der Stuhlbrei, wenn er im Enddarm ankommt eine geformte Konsistenz haben. Wenn aber jemand nur Kuchen und Fleisch zu sich nimmt, ist nichts drinnen, was den Stuhlbrei ein bisschen wässriger hält. In dieser Situation nehmen die Betroffenen Abführmittel, die im Dünndarm wirken. Das bedeutet der Stuhlbrei wird ganz schnell durch den Dünndarm und den Dickdarm weiterbefördert. Die Leute haben dann Durchfall und oft bleiben sogar Stuhlsteine im Dickdarm zurück. Obstipation ist sehr häufig und eine Volkskrankheit. Leider spricht kaum jemand darüber!

Ablauf des Stuhltrainings

GS:Bei Babys gab man gegen Verstopfung Milchzucker in Tee. Der Milchzucker hält die Flüssigkeit im Stuhlbrei zurück. Milchzucker wird sehr langsam in den unteren Darmabschnitten aufgenommen. Ein Teil des Milchzuckers gelangt bis ins Colon (Dickdarm) dort wandeln Darmbakterien den „Rest-Milchzucker“ um in Milchsäure, Essigsäure und Kohlensäure. Diese Säuren erhöhen den osmotischen Druck im Darm und bewirken den Wassereinstrom in den Darm, wodurch sich das Stuhlvolumen und -gewicht erhöhen. Es bilden sich Darmgase, diese erhöhen den Druck im Darm und bewirken Darmbewegungen – die Peristaltik. So einen ähnlichen Stuhlweichmacher nur für Erwachsene gibt man den Betroffenen am Abend. Zum Beispiel Levulose, oder Levolac. Und in der Früh werden zwei Lezicarbon Zäpfchen verabreicht. Das sind Kohlesäurezäpfchen. Die Kohlensäure ist in Kakaobutter verpackt. Wenn sich die Kakaobutter durch die Körperwäre schmilzt wird die Kohlensäure freigesetzt, dann sprudelt sie und löst einen Entleerungsreiz aus. Der weiche Stuhl kann dann problemlos ausgeschieden werden.

In einem gemeinsamen Gespräch mit den Betroffenen wird ein Entleerungsplan erstellt. Zum Beispiel Mo, Mi, Fr. Morgens. Dieser Entleerungszeitpunkt muss immer genau eingehalten werden die Zeit und der Tag. Darum wird es auch Stuhl TRAINING genannt. Am Abend den Stuhlweichmacher, in der Früh das Lezicarbon Zäpfchen. Die kann man jederzeit in der Apotheke kaufen. Das geht ohne Rezept. Ist ja nur Kohlensäure und Kakaobutter. Man gibt dann zwei Zäpfchen in den Darm, bleibt 15 Minuten in linksseitenlage und dann hinaus aufs WC und dann kann man gut entleeren.

RH: Warum Linksseitenlage?

GS: Weil der Enddarm links im Unterbauch liegt.

RH: Und auf diese Art lernt man zu Entleeren oder muss man das auf ewig so machen?

GS: Nein, die Lezicarbonzäpfchen werden in der Regel so über drei Wochen verabreicht. In dieser Zeit hat sich der Darm an den Entleerungs Rhythmus gewöhnt. Wenn der Patient die Ernährung nicht umstellt, dann muss er lebenslang einen Stuhlweichmacher bzw. Ballaststoffe zu sich nehmen. Der Darm ist dann trainiert und meldet sich mit einem Stuhldrang.

RH: Danke für das Gespräch!

Die Krankenschwester, Kontinenz und Stomaberaterin Gisele Schön hat sich ihr Berufsleben lang mit dem Thema Inkontinenz beschäftigt. Ihre Laufbahn als OP Schwester im urologischen und gynäkologischen Bereich führte Sie zum Theama Inkontinenz. Gisele Schön hat einen Ratgeber für Betroffene von Harn- und Stuhlinkontinenz geschrieben. Sie hat in mehreren Expertengremien gearbeitet, ist Vorstandsmitglied der Medizinische Kontinenzgesellschat Österreich und hat an der Erstellung von Pflegestandards im In- und Ausland mitgewirkt. Derzeit schreibt sie an einem weiteren Fachbuch für Pflegekräfte.

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Kontinenzberatung der FSW – Wiener Pflege- und Betreuungsdienste GmbH

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